Als Wellnesshoteltesterin stellt sich mir relativ oft die Frage, wie komme ich von A nach B? Da sich die meisten Transportmittel beim Verreisen mit Kleinkind als eher suboptimal erwiesen haben, soll diese Glosse als Aufruf an die Wissenschaft nach Teleportation gelten.
Bislang sind wir genau zwei Mal mit der Bahn zum Wellnesshotel-Test gefahren. Und jedes Mal kamen wir, mit einer anderen denkwürdigen Geschichte, die unser Leben auf seltsame Weise bereicherte, nach Hause.
Das erste Mal wurde aus einer zweistündigen Zugfahrt von München ins schöne Salzburger Land eine sechsstündige Odyssee mit vier verschiedenen Zugwechseln und ebenso vielen Gleisumstiegen. Die letzte Etappe vor unserer Endstation hatte es dann in sich: Gleich drei Bananen mampfende Rentnerinnen und zwei wurstsemmelvertilgende Vierjährige hatten sich in unserem Abteil zu einem glücklichen Schmatz-Gelage versammelt. Wie schön, dass bei 37°C Außentemperatur dann auch noch die Klimaanlage versagte. Dabei hatte ich mich auf Minustemperaturen eingestellt und mein Outfit am Morgen entsprechend gewählt. Denn bislang war ich auf Zugfahrten, dank Air Conditioning, einen eisigen Ostwind gewöhnt, der mich noch Wochen später, dank einer Angina, an den sibirischen Ausflug auf Schienen erinnerte.
Toiletten-Talk, der in Erinnerung bleibt
Das zweite Mal war ich gerade im sechsten Monat schwanger und musste dringend auf die Toilette. Zu meinem Leidwesen wurde das stille Örtchen vor meinem Besuch von sämtlichen blinden Stehpinklern Deutschlands frequentiert. Aufgrund meines Harndrangs hatte ich aber keine Wahl und nahm die in der Luft liegende Urinwolke und die diversen Boden-Pfützen, die sich schon zu einem mittelgroßen See breit machten, verzweifelt in Kauf. Was mich in noch größerem Maße verstörte, war die Tatsache, dass die Toilettentür nicht abzuschließen war. Um ein Unglück zu verhindern, ging ich das Wagnis ein. Mit dem Ergebnis, dass ich mich plötzlich pieselnder und unfreiwilliger Weise in einer lebhaften Diskussion mit der Schaffnerin befand. Letztere öffnete nämlich abrupt die Tür und schrie mich bärbeißig an, wie ich denn dazu käme diese Toilette, die doch defekt sei, zu benutzen? Während ich mit hochrotem Kopf nach Worten rang und wie ein ertappter Dieb zur Klopapierrolle griff, wurde sie immer rabiater. Spätestens seit diesem Erlebnis lehne ich längere Bahnfahrten in denen eine Pipi-Pause von Nöten ist, kategorisch ab. Denn man weiß ja nie, ob sich hinter der Toilettentür nur ein kleiner See oder ein größerer Defekt verbirgt. Hinweisschilder sucht man im Universum der Deutschen Bahn nämlich vergeblich.
"Über den Wolken muss die Freiheit wohl grenzenlos sein ..."
Reinhard Meys Flugsehnsucht beinhaltete sicherlich nicht das Abheben mit überzuckertem und damit wild gedoptem Kleinkind. Denn sonst wäre das glücklich besungene Freiheitsgefühl einer bedrückenden Schnappatmung gewichen. Meine beste Freundin, eine Stewardess, erzählte mir kürzlich, dass sie es bei ihrem letzten Flug mit einer besonders schlecht erzogenen Göre zu tun hatte. Die Mutter, ein hilfloses Wrack, war auch auf mehrmaligen Appell, ihr Kind doch bitte unverzüglich anzuschnallen, dazu nicht in der Lage und kapitulierte öffentlich. Wir machten uns beide über diese unfähige Mama lustig, die sich dem Diktat und den Wutausbrüchen ihrer dreijährigen Tochter unterwarf. Allerdings flog mir mein Spott über die fragwürdige Autorität dieser Erziehungsberechtigen ironischerweise bei meinem letzten Flug mit meinem fast zweijährigen Frequent Traveller hämisch um die Ohren. Auch ich musste mein gesamtes erpresserisches Potenzial, bestehend aus Gummibärchen, Bonbons und Schlumpf-Videos aus meiner Tasche kramen, um den kleinen Wellnesshoteltester zum Anschnallen zu bewegen. Glucose- und Entertainment-Trümpfe, die ich vor der Geburt meines Sohnes, bei anderen Eltern aufs Schärfste kritisierte.
Über Brillenangeln, Tomatensaftflecken und andere Aeroplan-Widrigkeiten
Leider gestaltete sich der gesamte Flugverlauf wie ein Tanz auf einem brodelnden Vulkan. Wobei sich die unterirdisch wallende Lava nach den ersten Minuten in der Luft durch ein lautes, monotones Schreien und Summen, das mein Sprössling immer vehementer anstimmte, bemerkbar machte. Auf mein Flehen hin, doch endlich zu verstummen, sprudelte es noch sonorer und lauter aus ihm hervor. Seltsamerweise drehten sich Menschen, die ca. 10 Sitzreihen vor uns Platz genommen hatten, irritiert und verstört um, während unser direkter Sitznachbar unbeirrt weiter schlief. Diese Ignoranz seinem merkwürdigen Gesang gegenüber, nahm mein Kind zum Anlass, um sich an unserem schlummernden Weggefährten zu rächen. Racheakt Nummer eins bestand darin, langsam von meinem Schoß zu robben und mit seinen kleinen Ärmchen nach der um den Hals baumelnden Brille des Nebenmannes zu angeln. Letzterer wies ein immenses Schlafdefizit auf und schnarchte einfach weiter. Da mussten schärfere Geschütze aufgefahren werden, dachte sich mein Sohn und trat unvermittelt gegen das halb volle Tomatensaftglas unseres Sitznachbarn, das sich daraufhin in einer blutroten Lache über uns drei ergoss. Endlich wachte der Tiefschläfer auf und nahm Notiz. Wäre mir nicht schon seit dem Start der Schweiß ausgebrochen, so hätte mich spätestens zu diesem Zeitpunkt eine Hitzewelle biblischen Ausmaßes überrollt. Glücklicherweise saß ein Engel neben mir, der nur milde lächelte und mit den Worten "I have eight grand-children at home, this little typhoon cannot make me angry" wahre Souveränität und Nächstenliebe bewies. In der kleinen Schreckenspause, die mein Sohn nach dem Tomatensaft-Debakel einlegte, konnte ich den benachbarten Cherubin von der Übernahme der Reinigungskosten durch mich überzeugen und begann ein nettes Gespräch über Australien, das Herkunftsland des freundlichen Reisenden.
Im Sinkflug auf Affenjagd
Durch den spontanen Plausch sah sich mein Sohn wohl animiert, uns noch weitere Gesprächspartner zu suchen. Dabei entwickelte er eine recht eigenwillige Methode des sich Annäherns. Er zog seine Schuhe und Strümpfe aus und versuchte diese auf dem Kopf des Vordermannes zu einem Turm zu stapeln, während ich noch vertieft über Aborigines philosophierte. Sein Plan ging sofort auf: Der Vordermann ergriff seinen neuen "Käsefußhut" und schmiss ihn uns angeekelt nach hinten. Mit "Mea Culpa" und einem schiefen Lächeln ging ich wieder einmal entschuldigend in die Defensive und erklärte den Zeitpunkt offiziell für gekommen, mit meiner Brut einen Spaziergang zu unternehmen. Allerdings glich die kleine Promenade eher dem Einfangen eines wild gewordenen Äffchens, das die Gelegenheit nutzte, nach jahrelanger Haft hinter Zoogittern endlich zu entkommen. Während ich noch außer Atem hinter meinem Jungen her hechtete bemerkte ich erleichtert, dass die Maschine in den Sinkflug überging. Und tatsächlich zwei Minuten vor der Landung lehnte sich mein Kind erschöpft zurück und tat das, was der zweijährige Junge hinter uns seit dem Start selig an seinem Schnuller nuckelnd, zurückgelehnt in ein kleines Nackenkissen tat: nämlich Schlafen.
Der Auszug aus Ägypten auf vier Rädern
Immer wieder höre ich von Eltern mit Kindern, dass das Auto zum Verreisen das probate Fortbewegungsmittel sei. Gerade wenn man wie wir, bei jedem Wellnesshoteltest den Auszug aus Ägypten mit schier unzähligen Gepäckstücken, probt. "Der Weg ist doch das Ziel — und mit dem Auto kann man überall anhalten und die Natur genießen" höre ich immer wieder urlaubsreife Eltern sagen.
Doch was macht man, wenn der "Weg" mit dem PKW nicht einem Kaleidoskop lieblicher Landschaften, sondern vielmehr einem Alptraum gleicht? Wenn das Kind mehrstündige Autofahrten verabscheut, der Fahrer unterzuckert und hungrig und noch dazu im Stau steht? Und zu allem Überfluss, der grüngesichtige Sprössling im Krümel-, Saft- und Spielzeug-Chaos nach etlichen Serpentinen anfängt zu brechen und anschließend die vor ihm sitzende Mama mit dem langen Fensterkratzer verhaut? Genau, man sehnt sich nach erfolgreicher Teleportation.